Das Stück „Echokammer“ erzählt von vier Bewohner*innen einer Pflegestation für Demenzerkrankte in einem Pflegeheim. Die
zwei Frauen und zwei Männer verbringen hier das typische ‚Dahinleben‘ der Betroffenen, wie es in deutschen Pflegeheimen in Zeiten des Pflegemangels verbreitet ist. Überraschend entspinnt sich
aber zwischen ihnen eine lebhafte Diskussion zu verschiedenen Themen unserer Zeit, etwa das Phänomen der Echokammern, der Digitalisierung, des Klimawandels, der Selbstvergessenheit unserer
Wohlstandsgesellschaft, der Sterblichkeit des Menschen und der Krankheit ‚Demenz‘, in die sie auch das Publikum mit einbeziehen. Offensichtlich sind sie der Meinung, dass auch sie selbst in einer
Echokammer leben, wie eben die meisten anderen Menschen, und eben alle zum Zeitpunkt des Spiels im Theater befindlichen Zuschauer.
Das Stück zeigt ein kurzzeitiges Aufleben der vier Akteure im lebendigen Widerstreit mit sich selbst, dem Publikum und der
Welt. Der Höhepunkt ihres Auflebens ist die aktionistische Befreiung aus der Echokammer, die sie im Schulterschluss mit dem Publikum zelebrieren. Schlussendlich aber verlieren sie den Kampf gegen
die Krankheit ‚Demenz‘ und verfallen in das fortgeschrittene Stadium dieser Erkrankung, sanft versorgt von einem Pfleger. Die Darsteller*innen changieren dabei zwischen ihrem Spiel als
Pflegeheimbewohner*innen, dem Ausstieg aus diesen Figuren in eine entpersonalisierte Figürlichkeit auf der Metaebene und der Sichtbarwerdung als Schauspieler*innen im Vorgang der
Inszenierung.
Interessant ist bei diesem Stück das Spiel mit der Wahrnehmung des Zuschauers, der in seiner Rezeption des Stückes stark
irritiert wird. Denn das Spiel mit den Ebenen und die Hinterfragung des Publikums selbst lassen eine eindeutige Verortung des Gesehenen nicht zu. Auch wird man sich immer fragen, ob die Figuren
auf der Bühne denn nun wirklich dement sind oder nicht. Zudem werden in diesem diskursiven Stück aktuelle soziale Themen verhandelt, die Akteure reflektieren über sich selbst, das Stück, das
Publikum und über gesellschaftliche Themen. Letztlich werden die Zuschauer ebenfalls angeregt, über sich selbst, ihr Leben und die Welt nachzudenken. Insofern könnte man die Erzählweise des
Stücke als postdramatisch bezeichnen, ohne dass es aber dabei einen realtistischen Bezug und eine realistische Ästhetik vermissen lässt.
Zuschauerreaktionen:
"Mit der gestrigen Uraufführung des Stückes „Echokammer“ des Heldentheaters im Münchener Einstein, wagte sich der Regisseur an das schwierige Thema „Demenz“
heran! Realistisch und gleichzeitig bedrückend wurde der Zuschauer in die Welt dieser Erkrankung mitgenommen. Jeder der sich (leider) mit diesem Thema auseinandersetzten muss, weil vielleicht in
eigenen Umfeld z.B. ein Elternteil daran erkrankt ist und den Verfall der Persönlichkeit des geliebten Menschen miterleben muss, und am Ende nichts mehr als ein „leere“ hilflose Hülle bleibt,
findet sich in dem Stück wieder. Die Pflegenden müssen sich mit den eigen Grenzen auseinandersetzen und bleiben hilflos zurück. Sehr realistisch wurde auch die Wohnsituation im Pflegeheim
dargestellt. Echokammer klärt auf über das Thema Demenz, das alle Menschen angeht, da jeder daran erkranken kann. Fazit: Sehenswert !" Geschrieben von Margit am Fr.
22.02.19 13:35
"Ein sehr eindringliches Stück mit einer hervorragenden Leistung der vier SchauspielerInnen. Demenz zwischen Vergessen (was in unserer heutigen Gesellschaft
ganz gut ist) und Aufbäumen, dabei auch viele aktuelle Anspielungen. Ich bin ganz froh, dass ich mit dieser Thematik nicht in Berührung gekommen bin. Auch der Pfleger spielte mit seinen
Einsichten über seinen Beruf eine eindrucksvolle Rolle. Es war ja an diesem Abend die Uraufführung, man kann es in den nächsten Tagen also noch öfters sehen."
Geschrieben von Woodburger am Fr. 22.02.19 10:39
"Hervorragende schauspielerische Darbietung, vier an Demenz Erkrankte und ihr Pfleger, das tägliche Stückchen Kuchen ist der wiederkehrende gemeinsame Rhythmus,
der allen Beteiligtrn eine gewisse Struktur gibt, dazwischen ist das Erleben eine Mischung aus Vergessen haben, sich seines Vergessens bewusst werden, bis hin zur Entfachung neuer Energie, von
tiefer Traurigkeit über Wut und dem unbändigen Drang, das Leben nochmal voller Kraft in die Hand zu nehmen. Das Stück ist sehr gesellschaftskritisch und politisch. Zum Schluss bleibt nur die
Zwangsernährung über die Sonde, bettlägerig bis dann endlich die Organe versagen oder der Patient an Lungenentzündung verstirbt, und dss manchmal erst nach zig weiteren Jahren. Das Theaterstück
Echokammer regt zum Nachdenken an, wo bin ich momentan, was will ich vom.Leben, was ist wichtig, was unwichtig, wann ist ein Mensch wertvoll, stimmen unsere gesellschaftlichen Werte und Normen
überhaupt...das Dasein ist eine verwirrende Folge von Momentaufnahmen oder “Filmschnipseln“, nur bei dementen Menschen oder sond wir nicht alle Betroffene?...es war hervorragend!"
Geschrieben von Blume21 am Do. 21.02.19 23:33
"Ein sehr tiefgründiges Stück mit hervorragenden Schauspielern und Schauspielerinnen. Der Inhalt regt sehr zum Nachdenken an, z.B. warum wir so vieles vergessen
wollen und lieber in unserer Echokammer leben statt unsere Freiheiten zu nutzen. Auch das Thema Demenz und der pflegerische Aspekt dabei werden sehr gut dargestellt."
Geschrieben von Melly07 am Do. 21.02.19 22:15